„Kunst-Stücke“ im Prunkhof
„Kunst“ – das ist ein äußerst dehnbarer Begriff. Dementsprechend hat auch jeder Mensch seine eigene, subjektive Vorstellung von Kunst. Bei manchen Werken scheint der Kunstgehalt jedoch so eindeutig zu sein, dass diese als Kunstwerke bezeichnet werden. Ein solches Kunstwerk ist beispielsweise „Der Schrei“ des norwegischen Malers Edvard Munch. Vor kurzem erzielte das weltbekannte Gemälde bei einer Auktion in New York einen Erlös von 119,9 Millionen Dollar (91,3 Mio €) – was einen neuen Weltrekord für ein bei einer Auktion versteigertes Bild bedeutete.
Ein Schrei war es auch, der am Donnerstag, den 3. Mai um ca. 17.15 Uhr den Prunkhof auf dem Marienplatz erfüllte. Denn auch hier, im Herzen des Rathauses, wurde gerade ein Werk vollendet, das zweifellos als „Kunstwerk“ tituliert werden darf.
Im Rahmen eines Aktionstags des Bündnisses „Wir sind die Zukunft“, bestehend aus KJR München-Stadt, Münchner Trichter und dem Fachforum Freizeitstätten, fand das Projekt „Kunst-Stücke auf dem Marienplatz“ nach monatelanger Planung ein fulminantes Ende.
Kinder und Jugendliche aus knapp 50 verschiedenen Münchner Freizeitstätten hatten im Vorfeld Leinwände bemalt, die sogenannten „Puzzleteile“, die am Ende ein großes Gesamtkunstwerk ergeben sollten. Allerdings wusste keine/r der Teilnehmenden, welches Motiv das Puzzle im Endeffekt zeigen würde. Das Geheimnis sollte erst beim großen Aktionstag gelüftet werden.
Die kleinen Künstler/innen waren also äußerst gespannt auf ihr Ergebnis, entsprechend groß war der Andrang im kleinen, aber feinen Prunkhof im Rathaus auf dem Marienplatz. Insgesamt 300 Personen, darunter unter anderem Bürgermeisterin Christine Strobl und einige Stadträtinnen und Stadträte, wollten sehen, wie das Riesenpuzzle Stück für Stück Gestalt annahm. Durch auf dem Marienplatz verteilte Plakate und Flyer wurden zudem immer wieder neue Schaulustige in den Prunkhof gelockt.
Moderator Gecko Wagner vom Musischen Zentrum (KJR) führte charmant durch die Aktion und kündigte ein Teil nach dem anderen an. Dabei war ein bis ins kleinste Detail ausgefeiltes System dringend notwendig, um beim Legen der Teile mögliche Komplikationen zu verhindern. Um im Innenhof etwas Platz zu schaffen, waren außerdem die Generationentreppe und kulanterweise auch der SPD-Balkon geöffnet, auf dem die Besucher/innen nicht nur einen fantastischen Ausblick auf das Puzzle genießen konnten, sondern auch einen interessanten Einblick in die Räumlichkeiten der Politiker/innen bekamen. Kunststück für Kunststück wurde aneinandergereiht bis nach einer guten Stunde auch das 150. und letzte Puzzleteil gelegt und das Kunstwerk fertiggestellt war.
Womit wir wieder beim Schrei wären. Denn das 11,25 x 7,5 Meter große Kunststück zeigt fröhliche Kinder und Jugendliche, die gemeinsam den Schriftzug „Wir sind die Zukunft“ in die Höhe stemmen. Ein paar gewitzte Künstler/innen vermochten das Rätsel zwar schon vorher zu lösen, am Ende aber schrien alle gemeinsam aus vollem Halse, was auf ihrem Puzzle geschrieben stand. „Wir sind die Zukunft!!!“ Spätestens jetzt hätten auch die Politiker/innen IM Rathaus auf diese Aktion aufmerksam werden müssen.
Denn Kinder und Jugendliche sind in der Tat unsere Zukunft. Aktionen wie diese machen das deutlich. Kunstwerke bestechen nämlich mitnichten durch den Preis, sondern durch die Wirkung, die sie erzielen. Es ist Kindern und Jugendlichen ein Leichtes, unsere Stadt mit bunten Farbklecksen zu versehen, nur brauchen sie dazu auch den nötigen Raum. In Freizeitstätten können Kinder und Jugendliche ohne Leistungsdruck in verschiedenen Bereichen – wie Tanz, Musik, Sport, neue Medien – etwas ausprobieren, gestalten, entwickeln, verwerfen oder einfach nur mal nichts tun und sich mit Freundinnen und Freunden treffen. Damit dies auch weiterhin möglich ist, braucht es eine entsprechende finanzielle Ausstattung.
Die einzelnen Puzzlestücke durften die Künstler/innen am Ende übrigens wieder mitnehmen. Übergebliebene Teile wurden zum Dank an die umliegenden Gastwirte und an die netten Damen vom SPD-Büro verteilt. Kunstwerke sind eben begehrt. Und solche Aktionstage auch. Offene Kinder- und Jugendarbeit ist einfach der letzte Schrei.
Herbert Hartinger, Öffentlichkeitsarbeit, KJR